Post by Georg HoferPost by Ralf GunkelHmmm, ich habe in meinem Bereich knapp 40 Weichen mit beweglichen
Herzstück [1] und alle sind im Bahnhof :-)
Aus welchen Grund verbaut/verbaute man Weichen mit beweglichen
Herzstücken in einem Bahnhof? Außer Komfort, Verschleiß, ungünstige
Radien, hohe Geschwindigkeit (noch Teil einer SFS) oder
Straßenbahnfahrzeuge auf Eisenbahngleisen fallen mir da sonst keine ein.
Insbesondere, wenn's eigentlich nicht notwendig ist -- sonst würde man
das jetzt ja nicht rückbauen. Gibt's das in D öfter?
Eine Antwort kann ich mir jetzt gleich selber geben -- hab den Posting
zu ungenau gelesen: Weil's früher nicht anders ging.
Nochmal. Es hat nichts mit Bahnhof oder Überleitstelle zu tun.
Es hängt mit der Geschwindigkeit und insbesondere dem Radius und damit
dem Winkel des Herzstück zusammen.
Einer 1200er Weiche (Radius der Weiche) ist es vollkommen egal ob sie
im Bahnhof oder auf einer Überleitstelle mit 200 km/h überfahren wird.
Es geht einfach darum wie kritisch der "führungslose Bereich" des
Radreifens während des Überfahrens der Lücke am Herzstück angesehen wird.
Eine 1200er kannst du mit 100km/h noch ohne bew. Herzstück befahren.
Wird es aber schneller so wirken zu große Kräfte.
In der Frühzeit des HGV in D sah man diese "Lücke" noch sehr kritisch
an. Es fehlten Erfahrungswerte.
Daher habe ich sogar eine 300er Weiche mit gelenkbeweglichem Herzstück
(alle anderen federbeweglich) drin.
Irgendwann stutzte ich dass es im nördlichsten der Bahnhöfe in meinem
Beritt 760er Weichen (V max im Abzweig 80km/h) gab die aber entgegen
aller anderen 760er und kleineren Weichen in den vorherigen Bahnhöfen
über die mit bis zu 200km/h gefahren werden konnte keine bew.
Herzstücke haben.
Nach einiger Recherche (die Ril 818 ist echt ein interessanter Fundus
mit Erstbelegen aus 1920) fand ich den Grund für den Einbau und den
Widerruf in bestimmten Fällen.
Der Umbau der ABS 7 (?) dauerte mehrere Jahre und wanderte die Strecke
durch. Dadurch waren zwischenzeitlich über die ganzen NBS / ABS
[Neubau- / Ausbaustrecken] in D Erfahrungen gesammelt worden dass 760er
Weichen die bew. Herzstücker nicht benötigen. Also baute man sie mit
weiterem Baufortschritt nicht mehr ein.
Also, warum sollte man diesen Aufwand dann wieder Betreiben wenn man
die Weiche nach nun >20 Jahren erneuert?
Natürlich wird der Verschleiss am starren Herzstück grösser, aber das
ist das Problem der Fachlinie Fahrbahn. Hey was bin ich doch NIMBY. :-)
Andererseits ist es recht aufwändig die beweglichen Herzstücker zu
wechseln, zudem sind diese wesentlich schwerer und teurer. Moderne
starre Herzstücker aus Bainit haten die Zusatzbelastung aber länger aus.
http://lokster.deutschebahn.com/artikel-pool/erleben/made-aus-bainit-weiche-mit-hartem-herzen.htm
Damit sollte die Rückrüstung in Summe günstiger kommen. Wenn man dann
noch die Störquelle bew. Herzstück (Antrieb, Verschluß) eliminiert
rechnet es sich noch mehr. Denn Verspätungsminuten und Entstöreinsätze
sind auch Kosten.
Aber oberhalb 1200er Weichen kommt man nicht mehr um die bew.
Herzstücker herum. Der "führungslose Bereich" wird zu lang und
insbesondere der Winkel des Herzstück "zu spitz".
Achja, warum man oberhalb 160km/h nicht auffahrbare Antriebe einbaut.
Das hängt auch mit den Kräften zusammen die beim "auftreffen des Zuges"
auf die Weiche wirken. Diese könnten unter ungünstigen Umständen die
Festhaltekraft des Antriebs überschreiten und so z. B. für ein
Aufschneiden der Weiche sorgen.
Jetzt könnte man die Festhaltekraft erhöhen, aber das nutzt nichts,
denn diese muss ja niedrig genug gewählt werden als dass diese eine Lok
/ Wagen der vom Herzstück her in die anliegende Zunge fährt diese ohne
Beschädigung abdrücken kann. Hier sind dann irgendwann die Grenzen
erreicht wo der Umstellwiderstand (zu Beginn des Auffahrens) so hoch
sein könnte dass das Fahrzeug "überklettert".
Soweit mein Wissenstand. Mitlesende Fahrbahner oder Fahrdynamiker mögen
gerne Einspruch erheben.
Gruß Ralf
--
"Sicherungstechnik ist praktizierte Paranoia. Und das ist auch gut so."
Dirk Moebius in deb*